Tag 1: TNT und Rinderwahn

Ein paar ehrliche Wanderschuhe - Down Under können die schnell mal zu richtig Ärger führen.

Was haben Trinitrotoluol und BSE-Viren gemeinsam? Natürlich nichts. Denkt man zumindest als vernunftbegabter Mitteleuropäer. Doch so ca. 20.000 Kilometer weit weg von Zuhause können TNT und Rinderwahn eine echt explosive Mischung bei der Durch- oder Einreise in die ehemaligen Kolonien ihrer britischen Majestät sein. Durch die zurückliegenden Anschläge islamistischer Terroristen und einer gerade vor den Gewässern Australiens verschwundenen Boeing Triple Seven, herrscht bei den Behörden "Down Under" Nervosität. Und wenn dann auch noch ein groß gewachsener Deutscher mit sehr viel Kamera-Equipment am Nackt-Scanner ansteht, schaut man ja schon mal genauer hin. Interessanterweise kommt ein kleinwüchsiger Herr aus Dubai, der tatsächlich in mehrere, strahlend weiße Saunahandtücher als eine Art Kaftan gewickelt ist (kein Scherz) noch völlig unbehelligt durch den Security-Check am Sydney International Airport. Doch dann passiert es:

"Would ya mind, if we check ya bags?", (Hätten Sie was dagegen, wenn wir ihr Gepäck untersuchen?) Es ist keine wirkliche Frage des stämmigen, uniformierten australischen Beamten vom Sicherheitsdienst, dessen breites Aussie-Englisch man kaum versteht. Doch sie kommt immerhin höflich rüber. Mit der Freundlichkeit, ist es allerdings rasch vorbei, als beim anschließenden Sprengstofftest ein rotes Blinklicht anspringt und eine nervenzerfetzende Alarmsirene ertönt. Sehr, sehr unangenehm, die Situation.

 

Jetzt schaut wirklich jeder zu uns rüber. Der Deutsche. Mit Sprengstoff. Was ist mit dem? Sofort sind drei weitere Sicherheitsbeamte am Start. Deutlich misstrauischer. Einer steht etwas abseits - sichert zweifellos die Kollegen ab. Immerhin hat noch keiner eine Waffe gezogen, denke ich und biete umgekehrt ein entwaffnendes Lächeln an, mit dem Angebot, sämtliche Taschen langsam zu öffnen und das Equipment auszupacken. Die Aussies sind nun etwas entspannter. Wie ein Terrorist sieht der Mann nicht aus - aber das tat der Oklahoma-Bomber ja nun auch nicht...

Ein zweiter Test bringt nochmal Gewissheit: Wieder jault die Sirene auf und auf dem Monitor sehe ich ganz klar die Identifizierung "TNT" aufblinken.

Zum ersten Mal zeigt sich, dass die Mitgliedschaft in einem Sportschützenverein durchaus Nachteile mit sich bringen kann. Nach weiteren 30 Minuten engelsgeduldiger Erklärungsversuche, glauben mir die Beamten endlich. Die Worte "Shooting Range", "Marksman", "Member of a Club" bringen endlich Licht ins Dunkel. Und ein Europäischer Feuerwaffenpass, der seit längerem in der Tasche meiner Reisedokumente schlummert.

Es klärt sich auf: Sprengstoff hat der Deutsche nicht dabei. Wohl aber haften Spuren von Nitrozellulosepulver an den Stiefeln, die ich letztes Mal auf der Schießanlange anhatte. Nach dem dreifachen Scan des Gepäckinhaltes sind die Australier alle wieder freundlich. Und man erklärt, dass selbst ein Reinigen der Stiefel keinen Sinn gemacht hätte. Das Gerät würde selbst die winzigsten Pulverrückstände, erklärt lachend und recht stolz der Chef vom Sicherheitsdienst zum Abschied. Ich sollte mal auf das Typenschild schauen, woher der Scanner stammt. Ich hatte es geahnt - aus Deutschland.
Wer nun denkt, das Einreisedrama sei vorbei, der muss sich nach 3 Stunden Flugzeit eines besseren belehren lassen: Im neuseeländischen Christchurch stehen die noch britischer ausschauenden Beamten ihren australischen Kollegen nichts nach. Die Wanderstiefel hatte ich gleich außen gelassen, lässig über die Schulter gehängt. Möglicherweise auch ein Fehler. Denn wieder bittet mich ein Grenzer aus der Schlange. Nicht noch einmal, denke ich. Doch diesmal ist es kein TNT, das Ärger macht, sondern die Angst vor BSE. Penibel überprüft ein blau behemdeter Zöllner die Gummisohlen - und entdeckt einen Rest Mutterboden aus dem guten Schleswig-Holstein an der Sohle. Natürlich von der Schießbahn. Es folgt eine interessante Prozedur: Aus Angst, dass den Erdresten Rinderwahn-Viren oder womöglich die Maul- und Klauenseuche, erscheint eine kleine Asiatin und verschwindet mit den Stiefeln im Nebenraum. Was kommt jetzt noch?, frage ich mich.

Aber die Sache nimmt eine unerwartete Wendung. Frisch geputzt, die Gummisohlen gereinigt, erhalte ich die Stiefel in einem Klarsichtbeutel zurück. Die Neuseeländer wünschen einen angenehmen Aufenthalt im Land of the Kiwis.

Und ich denke, hätten die mal meine Botten mal vor dem Sprengstofftest in Sydney in die Finger bekommen...