Tag15 + 16: Nächste Küste - Antarktis

Der Kākāriki, der Neuseeland-Papagei. Bunt gefiedert macht er Geräusche, die sich wie Lachen anhören.

Plötzlich ist der Regen da. Mal ganz leicht, als Sprühregen, dann plötzlich mit dicken, kalten Tropfen. Waren es am Tag zuvor noch fast 25 Grad bei Sonnenschein, sind es nun kühle 12. Ivan MacAllister, der Kapitän der Speedbootfähre grinst und zeigt auf der Karte, dass wir ja nur gerade einmal 4.500 Kilometer vom antarktischen Kontinent entfernt sind. "Ya are more southernly than Tasmania", erklärt der sehr schottisch aussehende Seemann und deutet auf den Breitengrad, der noch deutlich unter Hobart liegt. Wir sollten mal schön unseren Aufenthalt genießen, außerdem wären bei Regenwetter die Vögel im Wald aktiver. Eine Anmerkung, mit der der Neuseeländer recht behalten sollte.

 

Diese Kiwis: morgens um 9 Uhr in Arbeitsklamotten das erste Bier. Es ist Wochenende und es geht auf Angelausflug.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach nur einer Stunde holperiger Überfahrt legen wir in Oban an der Halfmoonbay an. Die drittgrößte Insel Neuseelands, die etwa so groß wie das Saarland ist, ist gerade mal von 381 Leuten bewohnt, wie ein Schild am Four Square Supermarkt verkündet. An der Tafel steht übrigens auch mit Kreide, wer heute gerade Geburtstag hat und wer was zu feiern hat. Die Maori nennen die Insel Rakiura, was soviel wie glühender Himmel bedeutet. Von dem ist allerdings nichts zu sehen. Auch der legendäre Entdecker, Kapitän James Cook, der die Insel für das Südkap Neuseelands hielt, widmete dem Sprühregen aber auch der relativ warmen Meeresströmung im Logbuch ein Kapitel.

Die Halfmoonbay - selbst bei regnerischem Wetter traumhaft schön. Hier heiraten die Insulaner gerne.
Der einzige Supermarkt auf der Insel, die so groß wie das Saarland ist.

 


Die Insulaner jedenfalls empfangen die wenigen Ankömmlinge, meist Hiker und schwer bewaffnete Jäger, die teilweise auf tagelange Tracks gehen, sehr freundlich. Man muss improvisieren. So auch, als erklärt wird, das gerade das heiße Wasser einfach nicht da ist, weil sich in der Stewart Island Lodge der Boiler verabschiedet hat. Hilfe sei unterwegs (ein kundiger Nachbar) und schnell wird auch jetzt am Nachmittag ein Fläschchen Wein entkorkt, um die nicht gerade begeisterten Touristen zu besänftigen. Als zwei Stunden später immer noch kein Wasser da ist, werden bereits die ersten Flaschen verschenkt...

Doch in gemeinsamer Anstrengung und erneuter Überprüfung der Elektrik will der Boiler dann doch nochmal und springt wieder an. Alles muss per Boot auf die Insel geschafft werden und so geht man sehr sorgsam mit den Ressourcen um. Selbst das Altglas auf der Insel wird so lange geschreddert, bis es fast schon als Staub dem Schotter für das bisschen Straßenbau beigemischt wird. Apropos Straßenbau: Mitunter führt das Ausnutzen aller Abfälle zu Merkwürdigkeiten. So wird der südlichste Zipfel Neuseelands wohl die einzige Gegend auf der Welt sein, in der man kleinere Straßenlöcher in der Einfahrt oder der Zuwegung mit Austernschalen flickt. Die Gegend um Bluff und Stewart Island ist bekannt für den Austernreichtum und deren exzellente Qualität. Doch statt die Schalen wieder ins Meer oder in den Abfall zu werfen, fliegen sie auf die Straße - ein, zwei Autos und sie sind zersplittert. Wobei bei frischen Reparaturen ein leichter Fischgeruch bemerkbar ist.



Fischen geht auf Stewart Island jeder. Kein Wunder, bei der Artenvielfalt.

 

Autos gibt es in Oban ohnehin nur wenige, eher schon Boote. Jeder geht hier fischen und es ist ein Wasser-Taxi, das uns am nächsten Tag zur Ulva Island übersetzt. Als Tickets - auch für die Rückfahrt - überreicht uns Bootsführer Peter zwei gepflückte Blätter. Und es ist wieder ein magischer Ort, den wir betreten. Die kleine Insel ist eine der vogelreichsten der Welt. Sie ist frei von schädlichen "Predators" wie aus Europa und Australien eingeschleppten Ratten und dem Opossum, die andernorts über Jahrzehnte schon abertausenden Vögeln den Garaus gemacht haben. Ulva Island empfängt uns mit einem echten Konzert der Natur. Die Vögel zwitschern und trällern ihre Lieder. Der Tūī, der Bellbird, der Kākāriki und wie sie alle heißen. Ein Paradies für Ornithologen. Sensationell. Überall, auf den kilometerlangen Tracks durch den völlig ursprünglichen, fast schon wieder dschungelartigen Wald schwirrt und flattert es. Mit einem lauten flapp,flapp flapp lässt sich eine Wood Pigeon, eine buntbraun gefiederte Waldtaube auf einem Ast nieder - sie ist groß wie ein Truthahn.

Die "Fährtickets" nach Ulva Island - zwei Blätter aus dem Regenwald.



Oben: Der Kākā. Gänzlich ohne Scheu vor Menschen schält er die Baumrinden ab, um an Insekten zu kommen.

Unten: Der Stewart Island Robin. Er kommt angeflogen, wenn man den Waldboden aufkratzt.

 

Unglaublich, aber wahr. Wenn man irgendein Piepen in den Bäumen direkt über sich hört, muss man nur den Waldboden mit den Stiefeln etwas aufscharren. Schon kommen gleich mehrere Bellbirds, die sich ohne jede Scheu neben einem niederlassen und die nun leichter zu findenden Insekten aus dem Boden picken. Ein faszinierendes Schauspiel. Auch Kiwis bekommt man zu sehen - dazu muss man allerdings eine nächtliche Tour buchen. Denn die flugunfähigen Nationalvögel der Neuseeländer zeigen sich nur in der Dunkelheit. Und ausgerechnet heute ist "Norwegerfest" zu Ehren der ersten Walfänger, die sich vor über 200 Jahren auf der Insel niederließen. Noch heute gibt es ein paar Hansons und ausgerechnet die veranstalten die Kiwi-Nacht-Touren. Voller Eindrücke kommen wir von Ulva Island zurück in die Halfmoonbay. Um am letzten Abend auf Stewart Island noch einen kulinarischen Höhepunkt unserer Reise genießen zu dürfen: im Church Hill Restaurant, gleich neben der Kirche, gibt es ein Austern-Potpourri (man kann sie auch grillen!) sowie einen großartigen Lachs. Dazu raffiniertes Gemüse. Das Ganze in einem urig schönen, wieder sehr schottischen Ambiente mit knisterndem Kamin und gutem Bier. Das findet man in manch großer Stadt nicht...

 

Der Stewart Island Weka. Ein flugunfähiger Inselbewohner, der auch schon mal Sachen aus dem Backpacker stibitzt.
Meistersänger imWald: der Tūī. Blauschwarzes Gefieder weißes Bällchen am Hals. Aber sehr scheu.